COVInsAG, 2. COVID-19-JuBG und RDL 16/2020: nur vorübergehende Erleichterung der Konzernfinanzierung oder schleichender Abschied auf Raten vom Nachrang der Gesellschafterdarlehen im deutschen, spanischen und österreichischen Recht?

COVInsAG, 2. COVID-19-JuBG und RDL 16/2020: nur vorübergehende Erleichterung der Konzernfinanzierung oder schleichender Abschied auf Raten vom Nachrang der Gesellschafterdarlehen im deutschen, spanischen und österreichischen Recht?

Im Zuge der COVID-19-Pandemie hatten die meisten Industrienationen bereits im Frühjahr diesen Jahres im Eiltempo diverse Erleichterungen für die jeweils ihrem Recht unterstehende Unternehmen erlassen, um es diesen zu ermöglichen, die konjunkturellen Auswirkung der Pandemie abzufedern. Neben diversen steuerlichen, arbeitsrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Aspekten wurden in diesem Rahmen auch Maßnahmen im Bereich des Gesellschaftsrechts und des Insolvenzrechts gesetzt. Einige davon betrafen auch die Regelungen zum Recht der Gesellschafterdarlehen im deutschen, spanischen und österreichischen Recht, also einem Teilrechtsgebiet, welches sich an der Schnittstelle zwischen Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht befindet und je nach konkreter inhaltlicher Ausgestaltung in der jeweils anwendbaren Rechtsordnung mehr gesellschaftsrechtliche oder aber mehr insolvenzrechtliche Züge aufweist.

Da sich die COVID-19-Pandemie jedoch als weitaus hartnäckiger erweist als noch beim ursprünglichen Erlass der gesetzlichen Stützungsmaßnahmen angenommen, sahen sich die Gesetzgeber der drei vorgenannten Rechtsordnungen gezwungen, die Maßnahmen weiter wie folgt zu verlängern bzw. inhaltlich anzupassen:

  • deutsche Recht: Das COVInsAG wurde durch Artikel 1 des Gesetzes vom 25. September 2020 dahingehend geändert, dass der Zeitraum, innerhalb dessen die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags ausgesetzt wurde (sogenannter Aussetzungszeitraum), vom ursprünglichen Enddatum 30.09.2020 auf den 31.12.2020 verlängert wurde. Zu beachten ist jedoch, dass ab dem 1.10.2020 nur noch eine Befreiung vom Insolvenzgrund der Überschuldung gewährt wird, bei Zahlungsunfähigkeit also wieder die normale Antragspflicht besteht. Innerhalb dieses Aussetzungszeitraums gewährte Gesellschafterdarlehen unterliegen dann nicht der Anfechtung, wenn eine Rückzahlung bis zum 30.09.2023 erfolgt. Solche Gesellschafterdarlehen unterliegen zudem nicht dem Nachrang, wenn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bis zum 30.09.2023 beantragt wurde. Wie bereits in der ursprünglich Fassung des COVInsAG ist jedoch zu beachten, dass lediglich unbesicherte sowie innerhalb des Aussetzungszeitraums gewährte Neudarlehen privilegiert werden, nicht jedoch bereits vorher gewährte Altdarlehen. Daraus ergeben sich schwierige Abgrenzungsfragen gerade im Rahmen von laufenden Kreditlinien insbesondere im Rahmen des cash poolings, zusätzlich zu den bereits im Rahmen der Voraussetzungen für die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bestehenden Rechtsfragen.
  • spanische Recht: das am 20.09.2020 in Kraft getretene Gesetz 3/2020 vom 18.20.2020 über prozessuale und organisatorische Maßnahmen zur Bewältigung des COVID-19 im Bereich der Justizverwaltung sieht vor, dass die bereits im RDL 16/2020 enthaltenen Regelungen in Bezug auf die Privilegierung der Gesellschafterfremdfinanzierung beibehalten werden. Danach gelten in Insolvenzverfahren, die bis einschließlich dem 14.03.2022 eröffnet werden, Forderungen aus Darlehen, Forderungen oder anderen diesen entsprechenden Rechtsgeschäften als gewöhnliche (also nicht nachrangige Forderungen), wenn diese ab dem Zeitpunkt der Ausrufung des Ausnahmezustands (14.03.2020) von einer dem Schuldner nach stehenden Person nach dem spanischen Insolvenzgesetzes (TRLC) gewährt wurden. Auch im spanischen Recht werden also nur sogenannte Neudarlehen privilegiert, und es wird mit dem 14.03.2022 ein Endzeitpunkt festgelegt, innerhalb dessen das Insolvenzverfahren eröffnet werden muss.
  • österreichische Recht: § 13 des 2. COVID-19-JuBG bestimmt, dass kein eigenkapitalersetzender Kredit im Sinne des § 1 EKEG vorliegt, wenn in der Zeit zwischen seinem Inkrafttreten (15.10.2020) und dem 31.01.2021 ein unbesicherter Geldkredit für nicht mehr als 120 Tage gewährt und zugezählt wird. § 1 EKEG definiert solche Darlehen als eigenkapitalersetzend, welche ein Gesellschafter der Gesellschaft in der Krise gewährt. Da bereits die vorangehenden COVID-19-Gesetze identische Privilegierungen für ab dem 16.03.2020 gewährte Gesellschafterdarlehen enthielten, handelt es sich bei der österreichischen wie auch bei der spanischen Regelung um ein bloße Ausdehnung des zeitlich eng begrenzten Anwendungsbereichs bereits bestehender COVID-19 Gesetzgebung im Zusammenhang mit Gesellschafterdarlehen.

Die differenzierten Regelungen in den drei dargestellten Rechtsordnungen zeigen, dass diese sich von Rechtsordnung zu Rechtsordnung im Detail durchaus wesentlich unterscheiden, und es daher in jedem Einzelfall einer eingehenden Prüfung bedarf, ob die jeweils einschlägigen gesetzlichen Anforderungen erfüllt werden. Im grenzüberschreitenden Konzern führt dies zu einer komplexen Rechtslage mit der Folge, dass der durchaus wohlgemeinte Zweck der Schaffung von Rechtssicherheit bedauerlicherweise nicht einmal im Ansatz erreicht wird. Diese Komplexität wird weiter erhöht, wenn die Tochtergesellschaften ganz oder teilweise in der Rechtsform von Auslandsgesellschaften geführt werden, da dann die Abgrenzung der Anwendungsbereiche des Gesellschaftsstatuts vom Insolvenzstatut weitere Rechtsanwendungsprobleme aufwirft.

Aber auch im traditionell organisierten grenzüberschreitenden Konzern, dessen Tochtergesellschaften in der Rechtsform des Staates ihrer jeweiligen Ansässigkeit organisiert sind, kommt es aufgrund der Unterschiedlichkeit der auf die Muttergesellschaft einerseits und die Tochtergesellschaft andererseits anwendbaren Rechtsordnungen zu Friktionen. Denn da die Finanzierung im konzernweiten cash pooling nicht nur downstream, sondern auch up-stream erfolgt, folgt aus der Tatsache, dass die konzerninterne Darlehensgewährung aus Sicht des auf die Tochtergesellschaft anwendbaren Insolvenzrechts privilegiert erfolgt, noch lange nicht, dass dessen Vorstand oder Geschäftsführung bei der Darlehensgewährung an die Mutter ebenfalls pflichtgemäß handelt. Gleiches gilt für die gesellschaftsrechtlichen Pflichten der Geschäftsführung auf Ebene der Muttergesellschaft bei der Darlehensausreichung an bedrohte Tochtergesellschaften Ein detaillierte juristische Beratung aus Sicht sämtlicher betroffener Gruppengesellschaften tut also Not.

Ganz generell gehen wir davon aus, dass die zeitlichen Befristung der Privilegierungen insbesondere im deutsche Recht dazu führen werden, dass die entsprechenden Regelungen vor Ablauf erneut verlängert werden müssen, da aufgrund des globale wirtschaftlichen Abschwungs die Darlehen nicht fristgerecht werden zurückgezahlt werden können. Auch das spanische Recht fördert durch die Befristung der Privilegierung auf Insolvenzverfahren, die bis zum 14.02.2022 eröffnet werden, geradezu die Stellung von späteren Insolvenzanträgen. Sinnvoller wäre es daher aus unserer Sicht, wenn die jeweiligen Gesetzgeber zumindest den Nachrang des Gesellschafterdarlehen umfassend und dauerhaft abschaffen. Denn gerade in der jetzigen Krise zeigt sich, dass eine Fremdfinanzierung durch Banken nicht nur aufgrund stetig steigender Vergabeanforderungen immer schwieriger wird und Gesellschafterdarlehen eine stets sinnvolle da günstige und oft sogar die einzige Möglichkeit darstellen, Fremdmittel zu erlangen.

Florian Deck, 21.10.2020

Ähnliche Beiträge

Kostenlose Erstberatung

+43-6245-90229-11

office@lexportateu.com

 

Verfügen Sie bislang noch nicht über Erfahrungen mit virtueller Rechtsberatung? Dann bieten wir* Ihnen gerne nach Anmeldung zu unserem Newsletter eine kostenlose Erstberatung in den unter Tätigkeitsschwerpunkte aufgeführten Rechtsgebieten an. Bitte füllen Sie dazu das beiliegende Kontaktformular aus, damit wir Sie zwecks Vereinbarung eines konkreten Termins kontaktieren können.

Dieses Feld dient zur Validierung und sollte nicht verändert werden.
Checkbox Datenschutzerklärung(erforderlich)
Checkbox Newsletter(erforderlich)

“Wer authentisch 
grenzüberschreitend beraten
möchte, muss die Herausforderungen des grenzüberschreitenden Business selbst tagtäglich am eigenen Leib
zu erfahren und gemeistert haben. Diese eigenen Erfahrungen an die Mandanten weiterzugeben gibt diesen die Gewissheit, dass die auf einer gezielten Wahl des für den jeweiligen Mandanten geeignetsten Rechts basierenden Gestaltungen LEXPORTATEUs auch in der Praxis rechtssicher umsetzbar sind .”

Florian Deck, Founder LEXPORTATEU

um rechtlich als grenzüberschreitender Konzern zu gelten man muss nicht Apple, Amazon, IKEA oder SAP heißen – warum es gerade auch für KMUs Sinn macht, sich mit dieser Gestaltungsoption zu befassen

 

Traditionelle grenzüberschreitende Konzernstrukturen sind dadurch gekennzeichnet, dass die Unternehmensgruppe in jedem Staat ihrer Tätigkeit eine Tochtergesellschaft nach dem dortigen lokalen Recht errichtet. Solche Konzernstrukturen sind aufgrund der Verschiedenheit der dann auf jede Konzerngesellschaft anwendbaren Rechtsordnungen nicht nur risikobehaftet. Darüber hinaus machen sie auch eine möglichst einheitliche Leitung und Organisation des grenzüberschreitenden Konzerns unmöglich und führen zu hohen Kosten. Im Raum der EU und des EWR bestehen heutzutage jedoch weitgehende Rechtswahlmöglichkeiten zur Wahl der bevorzugten Rechtsordnung. LEXPORTATEU hat daher gerade für grenzüberschreitende Konzernstrukturen Modelle entwickelt, wie die Rechtsform der einzelnen Gruppengesellschaften so vereinheitlicht werden kann, dass die ansonsten bestehende Verschiedenheit und fehlende Kompatibilität der verschiedenen Rechtsordnungen weitgehend vermieden werden und die Komplexität der grenzüberschreitenden Unternehmensgruppe so gesellschaftsrechtlich auf die Einheitlichkeit eines „schlichten“ rein nationalen Konzerns reduziert werden kann. Dies vermindert sowohl Haftungsrisiken als auch die Kosten laufender externer Rechtsberatung im Ausland.

Wir machen Ihnen daher den Weg dafür frei, dass Sie auch als Mittelständler in andere Märkte der EU und des EWR expandieren können, ohne davon durch prohibitive Kostenbelastung oder Haftungsrisiken abgehalten zu werden. Je früher, desto besser! Denn auch die zu Beginn genannten haben einmal klein angefangen und neue Märkte dadurch erschlossen, dass sie sie als Erste besetzt haben und heute dominieren…

Florian Deck, Founder LEXPORTATEU

Was würde ich jetzt darum geben, hätte unser Unternehmen damals bereits über eigene Vertragsmuster bzw. AGB verfügt

 

Leider hören wir diese Aussage häufig von Mandanten, die sich an LEXPORTATEU wenden, nachdem sie in einem anderen Staat verklagt worden sind oder zur Durchsetzung einer eigenen Forderung eine solche Klage oder ein Schiedsverfahren dort erheben müssen. Dies kann je nach Gerichtsstaat zu wirtschaftlich unzumutbaren Verfahrensdauern von oft mehreren Jahren pro Instanz führen und insbesondere dann unnötig kostspielig und mir unvorhersehbarem Ergebnis enden, wenn der Gerichtsstaat und das anwendbare Recht auseinanderfallen.

 

Dabei lassen sich derlei Probleme in der Regel einfach mit einer Gerichtsstands- und Rechtswahlklausel präventiv vermeiden bzw. reduzieren. Und selbst wenn man im Einzelfall seine eigenen Vertragsmuster und AGB nicht durchsetzen kann, sorgen die eigenen Vertragsmuster immerhin dafür, dass jene der Gegenseite ebenfalls nicht wirksam vereinbart werden. Dies stellt gerade bei übermächtigen Vertragspartnern oft den einzig realistischen Weg dar, den rechtlich ungünstigen Vertrag doch noch unterschreiben zu können, jedoch gleichwohl eine Knebelung des eigenen Unternehmens rechtswirksam zu verhindern!

Florian Deck, Founder LEXPORTATEU